Ein Gläschen in Ehren kann keiner verwehren?

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Im August 2018 berichtete 20min-Online, dass wer regelmässig ein Glas Wein trinkt ein um bis zu 50 Prozent niedrigeres Demenzrisiko besitzt als jemand, der gar keinen Wein konsumiert. Dies soll eine Forschungsgruppe aus Frankreich in einer Studie herausgefunden haben, bei der die Gesundheitsdaten von mehr als 9’000 Personen ausgewertet wurden. Als moderate Trinker hätten die Forscher/innen Menschen aufgefasst, die rund sechs Gläser Wein zu 1,75 dl pro Woche zu sich genommen hätten.

Volksweisheit: Ein wenig Wein kann durchaus gesund sein?

In unseren Breitengraden hört man oft, dass ein wenig Rotwein pro Tag respektive massvoller Alkoholkonsum durchaus gesund oder zumindest gesundheitsverträglich sei. Und ausserdem, wer kennt nicht den Reim «Ein Gläschen in Ehren kann keiner verwehren»? Diese und ähnliche Bonmots wären also, wenn sich die Studienergebnisse tatsächlich erhärteten, mehr als Mythen oder zeitgenössische Legenden. Sie wären geradezu Volksweisheiten im besten Sinne des Wortes und klug wäre, wer sie befolgt.

Studienergebnisse einordnen und mit Vorsicht geniessen

Allerdings gibt es ein paar Einwände, mit der die Studie bereits kurz nach ihrem Erscheinen konfrontiert wurde. Zum einen berücksichtigten die Forscher zu wenig, wie viel die in der Studie einbezogenen Personen in früheren Jahren getrunken hatten. So hätte es beispielsweise sein können, dass ein ehemaliger Alkoholabhängiger heute abstinent lebt, aber aufgrund seiner Vergangenheit ein erhöhtes Demenzrisiko aufweist.

Im Weiteren kritisiert wurde die Studie, weil sie den Konsum von Wein nur aus Sicht der Demenz betrachtete, nicht aber auf andere gesundheitliche Probleme wie etwa Nieren- und Leberschäden hinwies. Gerade dies lässt uns aufhorchen. Denn wäre es nicht tragisch, wenn jemand aus den Ergebnissen schliesst, sich mit 2 dl Wein pro Tag etwas Gutes zu tun, in Tat und Wahrheit aber seine Gesundheit aufs Spiel setzt?

Und schliesslich, dies räumten die Forscherinnen und Forscher selbst ein, gebe es Studien, denen zufolge die positive Wirkung von Wein auf die Gesundheit von in Tanninen enthaltenen Polyphenolen herrührt. Diese sogenannten Antioxidantien, wirken entzündungshemmend, krebsvorbeugend und bringen einige weitere gesundheitliche Nutzen – eben beispielsweise ein reduziertes Demenzrisiko. Neben Wein gibt es jedoch zahlreiche Lebensmittel, die einen mit Polyphenolen versorgen: Apfelbeeren, Granatäpfel, Grünkohl, Mangostane, Spinat, Tee, Trauben, um ein paar Beispiele zu nennen.

Jetzt kommt das Bewusstsein ins Spiel – aber auch das Bauchgefühl

Wer um diese Alternativen weiss, steht vor einer Entscheidung: Jeden Tag ein Glas Wein trinken oder auf andere Lebensmittel setzen, um sich die gesundheitlichen Vorzüge der Polyphenole zu sichern? Solche Fragen beschäftigen uns in wachsendem Masse; wir werden mit immer mehr Informationen versorgt, die wir einordnen sollen. Doch wie gelingt uns das? Zum einen: durch unser Bewusstsein – jenen wachen und allen Menschen angeborenen Geist, der einen mitunter seine eigene Existenz, sein Handeln und dessen Folgen erkennen und darüber entscheiden lässt. So wird sich auch die eben beschriebene Entscheidung treffen lassen. Bitte überlege einen Augenblick – wie wählst Du?
Zum anderen: Die Intuition, das Bauchgefühl gibt uns Aufschluss, was wir annehmen und was wir verwerfen sollten. Zu meiner Freude ist das Bauchgefühl eine erstaunlich zuverlässige Instanz, wenn es darum geht, etwas auf seine Stimmigkeit zu prüfen. Insofern lohnt es sich sowohl das bewusste, vernunftgeleitete Urteilen als auch die Intuition als Quelle eigener Erkenntnis zu üben und zu nutzen. Das hilft auch bei der Einschätzung, ob nun Wein oder andere Lebensmittel einem guttun und der eigenen Gesundheit zuträglich sind.

In Klammern: eine unverbindliche Überlegung

Sie geht in diese Richtung: Wer Wein trinkt, um seinen Bedarf an Polyphenolen zu decken, bezahlt mit den der Gesundheit abträglichen Wirkung des Alkohols. Wer auf «gesunde» Lebensmittel wie Granatäpfel, Grünkohl oder Tee setzt, erhält die positiven Effekte der Polyphenole frei von Zusatzkosten. Dies sei nicht ohne ein abschliessendes Augenzwinkern gesagt:

«Der Herzog von Duras sah eines Tages Descartes in seiner Wohnung bei einer reichen Tafel sitzen.
‹Was›, sagte der Herzog spöttisch, ‹Philosophen geniessen Leckerbissen?›
‹Warum nicht?›, erwiderte Descartes, ‹bilden Sie sich etwa ein, die Natur produziere ihre leckersten Sachen bloss für die Dummköpfe?›»

Aus: Aldinger, Marco (2004). Ko(s)misches Bewusstsein.
Heuweiler: Verlag Marco Aldinger.

Reto und Bruno

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