Wo die Angst ist, ist der Weg
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Ich erinnere mich noch genau. Es war an einem Sonntagnachmittag im Frühjahr 2006. Die Sonne schien, der Schnee schmolz, die ersten Blumen kündeten die warme Jahreszeit an. Ein perfekter Tag, um mal wieder Joggen zu gehen. Ein paar Kilometer über die Molassehügel des Appenzellerlandes, noch nichts «Schlauchendes». Mir gleich taten es Wanderer, Mountainbiker sowie Hundehalter und ihre Vierbeiner. Diese hatten sichtbar Freude am nahenden Frühling, tollten herum oder rannten den Ästen und Bällen nach, die ihre Halter in die Wiesen schleuderten. «Wenn das mal gut geht», dachte ich mir. Und da geschah es auch schon. Ein Schäferhund steuerte geradewegs auf mich zu. Ein beklemmendes Gefühl schnürte mich ein. Angst. Sie veranlasste mich, den Hund anzuschreien, er solle doch verschwinden. Und den Halter schallte ich an, er solle seinen Vierbeiner sofort zurückpfeifen. Je lauter ich wurde, desto heftiger bellte der Hund mich an und desto gelassener schien der Hundehalter. Der Anblick schien ihn zu amüsieren. Doch meine Angst vor dem Hund und davor, von ihm gebissen zu werden, war akut, echt, aufreibend. Dies selbst dann, wenn der Hund «nur spielen wollte», wie der Hundehalter mir zurief. Gewiss, im Nachhinein denke ich auch, dass meine Reaktion übertrieben war. Doch mit meinem Verhalten schützte ich mich oder versuchte es zumindest. Insofern ergaben die Angst und mein davon getriebenes Handeln ein Stück weit Sinn – sie sollten mich vor der subjektiv wahrgenommenen, akuten Gefahr schützen.
Sich einschränken ist nur die zweitbeste Lösung
Ein paar Wochen später traf ich denselben Hundehalter erneut. Diesmal spazierte ich, weshalb auch der Schäferhund sich ruhig verhielt. So ergab sich die Gelegenheit, beide um Entschuldigung zu bitten. Wir kamen ins Gespräch, plauderten ein wenig und mir tat es immer mehr leid, so ungehalten reagiert zu haben. Doch was sollte ich in Zukunft tun? Zunächst mied ich Wege, auf denen Hundehalter ihre Vierbeiner ausführten. Du kannst Dir vorstellen, dass das die Routenwahl massiv einschränkte. Im Grunde genommen reduzierte sich meine Laufstrecke auf eine Runde, die der Hauptstrasse entlangführte. Das konnte auf Dauer nicht die Lösung sein. Also beschloss ich, mich auch wieder auf Strecken zu begeben, die auch Hundehalter frequentierten. «Ich werde einfach langsamer laufen, an den Wegrand ausweichen und die Hunde einfach nicht beachten», sagte ich mir Und sollte dennoch einmal ein Hund mit Gebell auf mich zulaufen, würde ich ganz ruhig und gelassen bleiben. In den ersten paar Begegnungen mit den Hunden stieg die Angst vor Angriffen noch hoch. Immerhin gelang es mir jetzt schon, die Ruhe zu bewahren. Und siehe: Auch die Hunde schienen sich nicht weiter für mich zu interessieren. Im Laufe der Zeit wurde die Angst immer geringer und manchmal freute ich mich sogar, einem Halter zu begegnen, den ich zuvor schon vielfach gekreuzt hatte.
Bewusstsein für das Leben – und die eigene Gesundheit
Diese Erfahrung, so banal sie Dir auch erscheinen mag, liess mich eine Lektion fürs Leben lernen: Ängste wie diese löst man am besten, indem man sich mit ihnen auseinandersetzt, sich also immer wieder mit ihnen konfrontiert, um einen Weg zu finden, mit den peinigenden Situationen umzugehen. Das funktioniert nicht nur. Das erhält und erweitert sogar den eigenen Lebensraum.
Alle Menschen werden als Original geboren, die meisten sterben jedoch als Kopie.
Heute denke ich, dass diese Methode der Angstbewältigung das Bewusstsein weckt und stärkt: «Ich will die Möglichkeiten, die mir das Leben bietet, ausschöpfen, das Leben in allen seinen lustvollen, schönen, wohltuenden Facetten auskosten. Und ich lasse mich von Ängsten nicht daran hindern.» Genau dieses Bewusstsein liegt nicht nur der Entfaltung des eigenen Lebensraumes zugrunde, sondern auch der Gesundheitsentfaltung. Es ist die kompromissfreie Entscheidung für das Leben und für die eigene Gesundheit.
Reto und Bruno
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