Gerechtigkeit

Deine Meinung zählt. Du kannst sie über die Kommentarfunktion am Ende dieser Seite mit uns teilen.

Ich wurde gut zwei Jahre vor dem Ausbruch des 2. Weltkrieges geboren und erlebte während dessen Schrecken wohl Einschränkungen, aber keine Leiden wie in den umliegenden Ländern. Mit 3 Jahren war ich auf den Tod krank und in der Primarschule verlor ich einen Klassenkameraden, der an Leukämie starb. Schicksalsschläge und Geschenke. Wir alle erleben sie. Wo aber bleibt die Gerechtigkeit?

Wann gilt etwas als «gerecht»?

Claudia Wirz schrieb in der NZZ vom 11. 8. 2018 unter dem Titel «Ungerechte Gerechtigkeit»: «Wir leben in einer gerechtigkeitsvernarrten Welt. Niemand möchte sich als ungerecht bezeichnen, denn das kommt schlecht an. Soziale Gerechtigkeit hat einen hohen moralischen Wert. Doch was genau ist sozial gerecht – und vor allem für wen? Das weiss keiner so genau. Es gibt weder eine anerkannte Definition von Gerechtigkeit noch einen Katalog von Kriterien …»
Ich teile ihre Ansicht, wenn wir transzendente Kriterien ausser Acht lassen. Selbstverständlich sollen Eltern und Lehrer Kinder ebenso wenig benachteiligen wie Vorgesetzte die ihnen Anvertrauten. Beim Staat hingegen, ist das viel komplexer. Er braucht Geld für seine Organisation, die Bildung, für Sicherheit, Grundlagenforschung, Ordnung und deren Überwachung. Seit jeher fordert er dafür Steuergelder. Gerecht wäre wohl, wenn alle Einwohner gleich viel bezahlten, da sie auch gleichen Nutzen haben. Da aber die Zahlfähigkeiten sich unterscheiden, beginnt der Kampf um Gerechtigkeit, wobei die Interessen auseinanderdriften können: Je mehr die einen zahlen, desto mehr mögen andere gewinnen.

«Wir sitzen alle im gleichen Boot – die einen rudern, die andern angeln.»
Lebensweisheit, unbekannte Herkunft

Diesseitige Gerechtigkeit herstellen ist schwierig

Die meisten Politiker sind Vertreter ihrer Parteien. Wie das Wort besagt, sind sie daher parteiisch und urteilen nicht nach den Prinzipien der Gerechtigkeit, sondern sie versuchen, ihre Klientele zu begünstigen. Damit fallen die Hemmungen, den einen Geld wegzunehmen und diese nach Subventionskriterien zu verteilen, die umso widersprüchlicher werden, je grösser die zu verteilenden Beträge sind:
Wer soll in staatlichen oder genossenschaftlichen Wohnungen Vorteile geniessen, und erlöschen diese, wenn sich die finanzielle Situation der Nutzniesser verbessert? Wie hoch soll das Einkommen Schwerbehinderter sein im Vergleich zu Arbeitslosen, die sich erst dann echt um eine Stelle bemühen, wenn die Unterstützung ausläuft (wenigstens ein Fall ist mir persönlich bekannt)? Wie gross soll der Unterschied sein zu Menschen, die sich in der Schule nicht eingesetzt haben und solchen, die schlecht verkäufliche Fähigkeiten aufweisen?
Hat der Staat die Aufgabe, fremde Länder zu unterstützen, die korrupt sind oder schlecht regiert werden? Hat die Bundesrepublik seinerzeit das Überleben der DDR verlängert, weil sie diese unterstützt hat? Wie gerecht ist eine private Entwicklungshilfe: Jeder wählt seine zu unterstützende Organisation aus oder geht selbst in Länder, denen er sein Wissen vermitteln will? Läuft ein neutraler Staat nicht Gefahr, Hilfe nach subjektiven Kriterien zu leisten? Da Menschen die Welt individuell unterschiedlich wahrnehmen, gibt es darüber nie Einigkeit.

Gerechtigkeit über das gegenwärtige Leben hinaus

Dem gegenüber mag es transzendente Kriterien geben, die zwar mit einem Glauben verbunden sind, für den es Hinweise gibt, aber keine Beweise. Mit Sicherheit kann nur gesagt werden, dass dieser Glaube das hiesige Leben derart günstig beeinflussen kann, dass er sich lohnt, selbst wenn wir beim Tod feststellen, dass nichts mehr kommt.
Dieser Glaube setzt die Reinkarnation voraus. Sie wird von Millionen von Menschen abgelehnt, andere Millionen glauben an sie. Darüber besteht eine eindrückliche Literatur. Auch ist es möglich, durch die Erkundung des Unterbewusstseins Hinweise zu erlangen, die sogar Traumata heilen können. Da dieser Glaube das eigene Leben sehr günstig beeinflussen kann, erscheint es verantwortungslos, sich nicht wenigstens eingehend mit dem Thema beschäftigt zu haben.
Angenommen, wir glauben an die Reinkarnation, ist es leicht vorstellbar, dass Erlebnisse des Alltags sich auch in einem nächsten Leben auswirken können, wenn damit besondere Spannungen oder Fähigkeiten verbunden sind. Diese könnten beispielsweise erklären, wieso einige Kinder schon in frühesten Jahren aussergewöhnliche Fähigkeiten aufweisen, oder dass Opfer früher einmal Täter waren.
Wir haben wohl alle schon erfahren, dass das Sprichwort «Wer einem eine Grube gräbt, fällt selbst hinein» sehr berechtigt ist. Wir wissen auch, dass wir oft Denkgewohnheiten täglich wiederholen und sie damit prägend wirken. Wieso sind die einen Optimisten und die anderen Pessimisten unter vergleichbaren Umständen?
Wenn ich mir nun bewusst werde, dass all meine Gedanken und Handlungen eine bestimmte «Energie» oder «Information» erzeugen, die in diesem Leben mit Krisen oder Krankheiten «gebüsst» werden, und wenn nicht hier, dann in einem späteren Leben, so verändere ich mein gegenwärtiges Handeln. Damit verbessere ich meine Lebensqualität, werde sozialer, hilfreicher und gütiger. Integrität ist dazu die Voraussetzung.

Bruno und Reto